LEPIE.DE

16. Januar 2013

„Die Freiheit als solche gibt es ja nicht, es sei denn als Wahl der nächsten Abhängigkeit“

— Dirk Baecker, in „Vom Nutzen ungelöster Probleme“

14. Januar 2013

Finanzmetaphorische Untiefen

„To go over the fiscal cliff“ kommt mir als Sprachbild merkwürdig vor. Klippen sind Felsen, die aus dem Wasser ragen. Eher selten fällt jemand vom Kliff – wie sollte er auch hoch gekommen sein. Wesentlich häufiger kollidiert ein Schiff damit. Diese metaphorische Ungenauigkeit erinnert mich an eine andere aus dem Bereich der Finanzpolitik: an das Wort vom „Rettungsschirm“. Er kann vom Piloten hoffentlich nach dessen Ausstieg aus dem abstürzenden Flugzeug noch rechtzeitig geöffnet werden. In diesem Zusammenhang mag es für die Passagiere der Machine zwar eine tröstliche Vorstellung sein, im freien Fall noch „darunter zu schlüpfen“, aber eine wenig erfolgversprechende – es sei denn, man begnügt sich damit, bei Regen trocken aufzuschlagen

30. Dezember 2012

Zirkus

Zirkuläre Rhythmen machen das Vergehen von Zeit erträglicher. Sie bilden einen Bannkreis gegen die Unwiederbringlichkeit jedes einzelnen gelebten Augenblicks

28. Dezember 2012

Internet

Wie die für einen Moment in der Luft wie eingefroren stehenden Splitter der gerade geborstenen Windschutzscheibe im Licht der Scheinwerfer der Entgegenkommenden, noch bevor der Schall des Aufpralls meine Ohren erreicht

24. Dezember 2012

Atmosphärendruck

Die F.A.Z. bestätigt wieder einmal meinen Verdacht, dass Zahlen für Journalisten interessanterweise eine rein atmosphärische Größe darstellen: der Wirtschaftsteil der Sonntagsausgabe beziffert den US-amerikanischen Waffenmarkt je nach Quelle auf fünf bis zwölf Milliarden Dollar Umsatz, wo hingegen die heutige Montagsausgabe ohne Quellenangabe den selben Markt einfach mal mit 35 Milliarden Dollar taxiert

23. Dezember 2012

Ereignishorizont

Wie die Sterne einer Galaxie kreisen wir um ein immenses, uns magisch anziehendes Schwarzes Loch, das wir Normalität nennen und ahnen nichts von dessen Ausmaß an Nicht-Sein, das uns in seinen Bann zieht und aus dessen tödlichem Herzen doch noch keiner berichten konnte und je wird berichten können, der bis dorthin vorgedrungen wäre

22. Dezember 2012

Kultur und System

Dass man in der Literaturwelt so ausschließlich von einer Suhrkamp-Kultur spricht, und nicht etwa auch von einer Rowohlt-Kultur oder einer Hanser-Kultur oder einer S.-Fischer-Kultur, das liegt – so meine Vermutung – nicht nur an der programmatischen Geschichte des Verlages, sondern zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auch an der systematischen Cover-Gestaltung von Willy Fleckhaus. Sein aggressiv rationalistischer Ansatz machte das einzelne Buch zum Bestandteil einer Reihe. Visuell trat der Einzeltitel zurück ins Glied. Colorcoding und Satzraster der Umschläge fungierten wesentlich stärker als Absenderkennung (Suhrkamp) denn als Identifikator eines literarischen oder wissenschaftlichen Einzelwerks.

Die meisten Verlage sind irgendwann dazu übergegangen, das einzelne Werk mit individuellem Cover auszustatten, seiner Einzigartigkeit zu huldigen und sich selbst in einer Geste des Understatements visuell zurückzunehmen. Sieht man ein Buch der Edition Suhrkamp bzw. ein suhrkamp taschenbuch wissenschaft, so denkt man zuerst: ein Suhrkamp-Buch – und erst dann: ein Adorno. Beides ist hierbei möglich: die Leistung Fleckhaus‘ in dieser Hinsicht zu bewundern oder den Verlust an individueller Titelgestaltung zu spüren, den der rationalistische Ansatz zu Folge hatte

18. Dezember 2012

Deep End

„… in einem Meer von Nichtwissen schwimmen …“

— Dirk Baecker, in „Vom Nutzen ungelöster Probleme“

18. Dezember 2012

Fußmassage

„… dieses Träumen gehört zum Leben so wie die Haut und die Füße, wie die Fußsohlen …. – Und jetzt die Intelligenz!“

— Alexander Kluge, in „Vom Nutzen ungelöster Probleme“

12. Dezember 2012

Kanalarbeiter

Mir kommt mittlerweile schon das Lesen der Tageszeitung vor wie das Hochfrequenz-Trading eigentlich nicht handelbarer Güter: einer Überfülle von Informationseinheiten, fast jede hoch bedeutsam, aber keine Handlungsoptionen für uns, die Leser, weit und breit, mit denen der Impact der Meldungen kanalisiert werden könnte

12. Dezember 2012

Never, ever

Nie würde ich es als Regisseur gestatten, dass die Actrice bei der Abreiseszene einen leeren Koffer durch’s Bild trägt; dass der Darsteller am Klavier sitzend nur so tut, als ob; dass der Schauspieler beim Rauchen nicht inhaliert